AD(H)S & pathologischer Internetgebrauch

Warum das Internet manchmal zur Falle wird

 

ADHS und pathologischer Internetgebrauch: Warum das Internet manchmal zur Falle wird

Das Internet ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es bietet Unterhaltung, Information, Kontakt zu anderen – und oft auch eine willkommene Flucht aus dem Stress des Alltags. Doch manchmal kippt diese Nutzung in etwas, das Betroffene selbst kaum noch steuern können: in einen problematischen oder sogar pathologischen Internetgebrauch.

Besonders riskant bei ADHS

Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind besonders gefährdet, sich im Internet zu verlieren. Warum? ADHS geht häufig mit einer veränderten Reizverarbeitung, mit Impulsivität und mit Schwierigkeiten in der Emotionsregulation einher. Das Internet mit seinen schnellen Belohnungen, ständigen Neuigkeiten und der Möglichkeit, sich jederzeit abzulenken, kann hier wie ein Magnet wirken.

Viele Betroffene berichten, dass sie sich im Online-Gaming verlieren, stunden oder tagelang Videos schauen, exzessiv googeln, sich in sozialen Medien verlieren oder immer wieder zu bestimmten Inhalten – wie etwa Pornographie – greifen. Während es anfangs oft noch wie „Entspannung“ oder „Abschalten“ wirkt, gerät die Nutzung bei manchen zunehmend außer Kontrolle.

Ab wann wird es kritisch?

Nicht jede intensive Nutzung ist gleich problematisch. Entscheidend ist: Belastet mich mein Verhalten? Kann ich es noch steuern? Beeinträchtigt es meinen Alltag?

Fachleute sprechen von einem pathologischen Internetgebrauch, wenn bestimmte Merkmale erfüllt sind. Für die Diagnose des sogenannten Internet Gaming Disorder (also der krankhaften Computerspiel-Abhängigkeit) müssen nach dem medizinischen Klassifikationssystem DSM-5 mindestens 5 dieser Punkte zutreffen:

  • Ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Spiel oder dem Internet

  • Entzugserscheinungen (Reizbarkeit, Unruhe, Traurigkeit, wenn man nicht online sein kann)

  • Immer mehr Zeit wird benötigt, um zufrieden zu sein

  • Mehrfacher, aber erfolgloser Versuch, das Verhalten zu kontrollieren

  • Verlust von Interesse an anderen Hobbys oder Aktivitäten

  • Weitermachen trotz negativer Folgen für Gesundheit, Beziehungen, Beruf oder Schule

  • Verheimlichen des Ausmaßes der Nutzung gegenüber anderen

  • Nutzung als Flucht vor negativen Gefühlen wie Angst, Schuld oder Hilflosigkeit

  • Ernsthafte Folgen für das soziale oder berufliche Leben

Das Fatale: Je länger dieses Verhalten andauert, desto schwerer fällt es, auszusteigen.

Ein Teufelskreis entsteht

Studien zeigen: Wer ADHS-Symptome hat, hat ein deutlich höheres Risiko, in diesen Kreislauf zu geraten. Gerade Glücksspiele, Online-Spiele oder exzessives Surfen können so zu einem Ersatz für fehlende innere Ruhe oder mangelnde emotionale Stabilität werden.

Die Betroffenen fühlen sich oft zerrissen: Sie wissen um die negativen Folgen, finden aber keinen Ausweg. Schuldgefühle, Scham und das Gefühl des Versagens verstärken den inneren Druck – und führen nicht selten dazu, wieder ins Internet zu flüchten.

Was kann man tun? 

Die gute Nachricht ist: Man muss diesen Kreislauf nicht allein durchbrechen. Es gibt bewährte Behandlungsansätze:

  • Verständnis für die eigenen ADHS-Mechanismen entwickeln (Psychoedukation)

  • Professionelle Begleitung durch Verhaltenstherapie, um neue Strategien zu lernen

  • Medikamentöse Unterstützung, um die ADHS-Symptome besser zu regulieren

  • Struktur im Alltag aufbauen – mit festen Offline-Zeiten, klaren Tagesplänen und unterstützenden Routinen

  • Digitale Achtsamkeit trainieren – also den bewussten Umgang mit dem Internet üben

Niemand ist „schuld“, wenn der Umgang mit dem Internet aus dem Gleichgewicht gerät. Entscheidend ist, den ersten Schritt zu machen und sich Unterstützung zu holen. Veränderung ist möglich – Schritt für Schritt.